Pferdeärsche und Ackergäule


Ok. Wieder mal Sonntag. Wieder mal kalt. Wieder mal Heimspiel. Wieder mal ein starker Gegner. Wieder auf die Mütze? Die vor dem Spiel veröffentlichte Aufstellung machte mir jetzt ehrlicherweise nicht ganz so viel Hoffnung. Das war nicht die Mannschaft des letzten Auswärtssieges, sondern größtenteils die Mannschaft der letzten Niederlagen. Konnte das gut gehen?

[vision_pullquote style=“1″ align=“right“]Wasserwerfer und Pferdeärsche[/vision_pullquote]Auf jeden Fall gab es heute nur ein kurzes Stück mit dem Rad zu fahren. Als Schönwetterradler hat es bei den Temperaturen gerade mal bis nach Barmbek gereicht. Die Bahn war wohl temperiert und auch nicht übermäßig voll. An der Feldstraße gab es für mich diesmal kein Frühstück, da ich ungewohnt früh aufgestanden war und das doch tatsächlich mal zu Hause schon geschafft habe. Was es aber gab, war sehr viel Polizei. Zu Fuß waren sie unterwegs, Mannschaftswagen waren zu sehen, Wasserwerfer und einige Pferdeärsche. Oha! Man könnte ja fast meinen, Rostock wäre zu Gast.

Wie üblich stand ich knapp eine Stunde vor Anpfiff vor der Gegengeraden. Normalerweise kann man zu der Zeit recht flott durchhuschen. Heute wars anders: Riesige Schlangen bis hin zum Parkplatz. Knapp 20 Minuten hat es gedauert, bis ich endlich abgeklopft und drin war. Offensichtlich war der Verein sehr bemüht keine ungebetenen Gäste in Biene Maja-Outfit rein zu lassen.

[vision_pullquote style=“1″ align=“left“]Willkommen im Liebesblock[/vision_pullquote]Bier- und Bratwursttheke waren noch ziemlich frei, die Stadionzeitung aber schon vergriffen. Macht ja nix. Bin ja schließlich auch nicht zum Lesen hier. Von meinem Stammplatz waren zwei Dinge sehr deutlich zu sehen. Erstens: Der Rasen sah aus, als wären die Berittenen da kurz vorher einmal rübergaloppiert. Ein Krater neben dem anderen. Zweitens: Der Gästeblock hatte unglaublich sympatische Fangruppen. „Hassblock“ stand da beispielsweise in großen Lettern. Es gab Diskussionen. wie es wohl zu dem Namen kam. Ein Teil war der Meinung, die hätten sich lieber „Hessblock“ genannt, durften das aber nicht. Auf jeden Fall kamen wir überein, dass beim nächsten Spiel  gegen Dynamo als Gegenpart vielleicht einen „Liebesblock“ gründen sollten.

Die ersten Buhrufe gab es übrigens schon vor dem Anpfiff. Und zwar bei Bekanntgabe des Schiedsrichters: Deniz Aytekin. Der hatte in der Vergangenheit so einige Schwächen auf unserem Platz – fast immer zu unserem Nachteil – gezeigt. Na, das konnte ja was geben.

[vision_pullquote style=“1″ align=“right“]Watt soll datt denn?[/vision_pullquote]Nicht dabei war logischerweise Vegar Eggen Hedenstad. Also einen Nationalspieler weniger im Team. Viel Glück in Trondheim, Vegar! Dafür war Aziz Bouhaddouz zum ersten Mal nach seinem Länderspieleinsatz wieder anzutreffen. Thy hingegen saß ebenso auf der Bank wie Yi-Young Park, der mir im letzten Auswärtsspiel in Braunschweig sehr gut gefallen hat. Das große „Watt soll datt denn?“ war nicht nur bei mir ein Thema. Hoffentlich fallen wir da nicht in alte Strukturen zurück.

Immerhin: Zumindest theoretisch war es möglich auf den Relegationsplatz zu klettern. Wir mussten nur im Gegensatz zur Konkurrenz punkten und zwei Tore Tordifferenz aufholen. Nichts leichter als das 🙂 Ewald zeigte uns dann auch vor Anpfiff, was er erwartete. Drei Finger – Drei Punkte. Klar doch. An uns solls nicht scheitern.

Zu Beginn gab es eine sehr schicke Choreo von Nord und Süd. Fan-Rivalität setzt halt auch immer Kreativität bei uns frei.

Unsere Jungs waren von Anfang an sehr offensiv bei der Sache und störten den Gegner früh. So wurde der Gegner zu vielen Pässen zurück zum Torwart gezwungen. Und wenn doch, dann ging es meist über weite Flanken nach vorne.

Nach nicht einmal 5 Minuten lag Bernd Nehrig mit offensichtlich bösen Schmerzen am Boden. Kein Foul, sondern ein blödes Zusammenrasseln. Buchtmann lief sich lange warm, doch der alte Mann biss sich glücklicherweise noch einmal auf seine dritten Zähne und spielte nach einigen Minuten Behandlung dann doch weiter. Kaum wieder auf dem Platz, passte er den Ball schön zu Choi, der kurz vor dem gegnerischen 16er gefoult wurde. Der Freistoß brachte zunächst nicht viel ein, der Gegner zeigte aber deutliche Defizite dabei sich zu befreien.

Beide Mannschaften kämpften verbissen, aber größtenteils fair. Und selbst der zuvor so geschmähte Schiri machte seine Arbeit recht anständig. Nicht komplett fehlerfrei, und einmal stand er so blöd, dass er angeschossen wurde, aber im Großen und Ganzen in Ordnung.

[vision_pullquote style=“1″ align=“left“]Sonntagsschüsse sind gegen uns ja besonders beliebt[/vision_pullquote]Trotz mutigem Pressings war unsere Abwehr – wenn es denn notwendig war – auf dem Posten. Und das obwohl vor allem Jerry immer wieder mal ganz vorne anzutreffen war. Kein Wunder: Die Abwehrposition ist ja nicht seine gelernte. Gefiel mir sehr gut, wie variabel und schlecht auszurechnen das Spiel unsere Mannschaft war. Was aber natürlich auch viel Kraft kostet. Und Sonntagsschüsse sind gegen uns ja besonders beliebt. Da musste dann auch mal was rumkommen, wenn wir am Ende nicht schwimmen wollen.

Denn da war auch wieder unsere Schwäche. Ein ums andere Mal war es im gegnerischen 16er einfach der eine Pass zu viel, wo ein Schuss aufs Tor gute Chancen auf einen Treffer gehabt hätte.

In Minute 22 lag ein Gelber plötzlich in unserem Strafraum. Ich bin ehrlich: Ich steh auf der falschen Seite und kann nicht beurteilen, ob da was war oder nicht. So ganz genau will ichs vielleicht auch gar nicht wissen. Auf jeden Fall fischte Heerwagen den Ball bei der anschließenden Ecke noch gerade so raus.

Nur wenige Minuten später gab es dann eine dreifach-Chance mit viel Gestocher vor dem gegnerischen Tor, die von einem Schuss über das Tor von Nehrig frei vor leerem Tor „vollendet“ wurde.

[vision_pullquote style=“1″ align=“right“]Song Two und Party[/vision_pullquote]Ich war noch am Betrauern der verpassten Chance, als ein Dresdner Abwehrspieler sehr unglücklich direkt Choi bediente, der sich nicht lang bitten ließ und den Ball unten rechts ins Eck schob. Jo! Song Two und Party! „Du wirst hier heute gewinnen und den Gegner niederringen!“ passte sehr gut zum Spiel, zum Einsatz und zum Acker. Klar. Ein Geschenk des Gegners, aber ein Geschenk, dass wir uns verdient hatten. Just in diesem Moment war mein Mitsteher übrigens gerade Astra-Nachschub holen. Wenn das klappt, müssen wir ihn wohl häufiger losschicken.

Im Anschluss wurde kurz so etwas wie gezaubert, mit Hackentrick durch die Krater, bis Buballa dann einen ganz bösen Rückpass zum Gegner machte. Glücklicherweise wurde das nicht bestraft sondern noch gerade so von der Abwehr ausgebügelt. In Minute 37 konnte Aziz dann mal beweisen, dass er einen Dickkopf besitzt. Beim Zusammenprall mit dem Gegner ging er einfach weiter; Der Gegner musste hingegen verletzt ausgewechselt werden.

Kurz darauf spielte der bis dahin tadellose Flum einen Freistoß direkt in die Füße des Gegenspielers. Was auch immer ihn da geritten hatte, Bernd Nehrig bügelte das robust im Austausch gegen eine gelbe Karte wieder aus.

[vision_pullquote style=“1″ align=“left“]Feuer und Flamme[/vision_pullquote]Es war bereits die Nachspielzeit der ersten Hälfte, als der Gegner zum ersten Mal überhaupt aus dem Spiel aufs Tor schoss, aber nur das Außennetz traf.

In der Halbzeit gab es dann gute Banner „Seht: Dort drüben, wo sie noch mit Pferden den Acker pflügen, laden sie herzlich zu ihren Märschen und Fackelzügen“ und weniger gute Banner „Schon Eure Großeltern haben für Dresden gebrannt – Gegen den doitschen Opfermythos“. Lieber einen guten Freund verlieren als eine gute Pointe, aber der Kalauer war mir dann doch etwas zu viel. Apropos: Vor mir auf der Gegengerade stand doch tatsächlich jemand mit einer „Feuer und Flamme für Hamburg“ – Olympia-Jacke. Entweder ein sehr optimistischer Mensch, oder er hat das Ding nur einfach sehr, sehr billig bekommen.

Die Reaktion des Gästeblocks war übrigens ähnlich geschmackvoll, aber intellektuell nicht ganz so herausfordernd: „Jeder unserer Freunde fickt einen Eurer Freunde“. Naja. Jeder halt so gut, wie er kann. Wohl viele dicht, wenige Denker.

Mit einem lauten „Antifa Hooligans“ ging es dann zurück zum Spiel. So ganz spurlos war das mit Nehrig wohl nicht abgegangen, denn zur Halbzeit stand er nicht mehr auf dem Platz. Stattdessen durfte Buchtmann ran. Und auch Thy durfte für Choi übernehmen.

[vision_pullquote style=“1″ align=“right“]That’s the way we like it[/vision_pullquote]Nur kurz nach dem Anpfiff durfte sich der gegnerische Torwart dann nach einem Kopfball von Lasse auszeichnen. Das ging eigentlich genauso weiter wie in Halbzeit eins. Viel Druck von uns, wenig Ideen beim Gegner. Die Stimmung kochte mittlerweile. Jede gute Aktion wurde bejubelt,  wir haben uns heiser gesungen und überraschenderweise hörten auch die Gästefans nicht auf ihren Verein zu supporten. Das war im Abstiegsjahr von Dynamo noch ganz anders.

Dudziak pendelte mittlerweile von Abwehr zu Angriff. Eben noch im gegnerischen Strafraum einen Pass gespielt, und kurz darauf beim gegnerischen Konter im eigenen Strafraum geklärt. Keine Ahnung, woher der die Ausdauer hat.

Kurz darauf machte ich mich auf, um den Durst zu stillen. Glücklicherweise war ich noch im Stadion, als der Gegner wieder zu einem Fehler gezwungen wurde und diesmal Sahin den Ball trocken ins Eck schob. Bier holen scheint Glück zu bringen. „That’s the way we like it!“

Überraschend früh wechselte Ewald Aziz aus und mit Gonther eine Defensive in Minute 63 ein. 30 Minuten Abwehrschlacht? Das konnte ja heikel werden.

Passierte aber gar nicht. Unsere Jungs pressten nicht mehr so stark vorne, blieben aber stabil und lauerten auf Konter. Die Dresdner brachten weiter nicht viel mehr als verzweifelte Bälle hoch nach vorne zu Stande, die aber meist relativ gefahrlos entsorgt wurden. Interessant mal ganz entspannt zuzuschauen, wie die gegnerische Mannschaft verzweifelt und nicht die eigene.

[vision_pullquote style=“1″ align=“left“]Slapstick vor dem Tor und auf der Bank[/vision_pullquote]Knapp zehn Minuten vor Schluss gab es dann wieder alte St. Pauli – Tugenden: Waldi semmelte den Ball aufs gegnerische Tor und traf blöderweise Thy, der die Flugbahn kreuzte. Der wesentliche Unterschied war nur, dass diesmal niemand das Schicksal verfluchte, sondern beide lachen mussten. So schnell kann sich eine Stimmung ändern. Slapstick gabs dann auch noch: Fünf Minuten vor Schluss wurde Buchtmann auf die Reserverbank geschubst. Millimetergenau. Hätte auch weh tun können, aber so wars erstmal nur ziemlich lustig.

Und dann wars das: Endlich der erste Dreier seit gefühlten hundert Jahren zu Hause. Es war nicht immer schön diese Saison. Das hatten wir uns echt mal verdient. Und am Ende des Spieltages stehen wir tatsächlich auf einem Relegationsplatz. Es ist alles wieder drin. Wir haben noch einige Spiele gegen direkte Konkurrenten vor uns. Wenn wir die gewinnen sieht das doch schon alles viel freundlicher aus. Das wäre echt verrückt, wenn wir das noch mal schaffen sollten, aber ich steh auf verrückt.

 

 

 

 


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