Wer ist schon Barcelona?


Was kriegt man als Hamburger so für 10 Euro an einem Samstag Nachmittag? Nun. Man kann beispielsweise, wenn man denn gerade in Bielefeld ist, das Auswärtsspiel des zweimaligen Relegationsmeisters anschauen und sich dann Mut zusprechen, dass das ja nur ein Testspiel war. Oder man geht ans Millerntor. Erlebt gute Laune, tolles Wetter, sechs Tore, einen Elfmeter, Bengalos, einfach ne super Party.

[vision_pullquote style=“2″ align=“left“] Brüder und Schwestern im Geiste[/vision_pullquote]Ich habe mich für letzteres entschlossen und das heutige Testspiel gegen den spanischen Erstligisten Rayo Vallecano besucht. Da die Nordseite der Gegengeraden zum Auswärtsblock umdefiniert wurde, war ich heute mal etwas weiter Südlich, ziemlich genau in der Mitte der Gegengeraden. Platz war dennoch reichlich, denn gerade mal 9.000 Zuschauer hatten den Weg ins Stadion gefunden. Trotzdem ganz ordentlich für ein Freundschaftsspiel in der Ferienzeit. Das Banner der Spieler „Love Football – Hate Racism“ war ein schöner Auftakt. Überhaupt war der Konsens in Sachen Antifaschismus am Millerntor selten so groß. Denn die Fans von Vallecano sind Brüder und Schwestern im Geiste. Ein Außenstehender hätte kaum einen Unterschied ausmachen können. Antifa- und Totenkopfflaggen gabs auf beiden Seiten. Selbst die Fangesänge klangen seltsam vertraut.

Und es gab zu Beginn und zu Ende Bengalos im Gästeblock. Die Meinung dazu war einigermaßen gespalten. Pfiffe und Applaus hielten sich nach meinem Dafürhalten in etwa die Waage. Ich persönlich fands eigentlich ganz stimmungsvoll. Und übermäßige Strafen sind bei einem Freundschaftsspiel ja wohl eher nicht zu erwarten.

Aber genug von der Tribüne, hinauf aufs Spielfeld:

[vision_pullquote style=“2″ align=“right“] Das nennt der Abiturient Antizipieren[/vision_pullquote]Da Vallecano bereits gestern gegen Eintracht Braunschweig gespielt hatte, war in der ersten Hälfte nicht die Stammbelegschaft auf dem Rasen. Ansonsten war aber nicht viel von einem Freundschaftsspiel zu merken. Es ging kräftig zur Sache. Das Spiel wurde hart, aber größtenteils fair gespielt. Eine Trainingseinheit war es auf jeden Fall nicht, und unsere Jungs hatten die Möglichkeit sich zu präsentieren. Vor allem Ryo Miyaichi hat in meinen Augen die Chance sehr gut genutzt. Er war kämpferisch hochmotiviert, gab selten einen Ball  auf, eroberte verlorene Bälle zurück und zwang den Gegner auch zu Ecken, indem er konsequent nachsetzte.

Das nennt der Abiturient antizipieren. Er liest die Situation und schnappt sich das Spielgerät“ um mal Manni Breuckmann zu zitieren. Ryo hatte mehrmals die richtige „Ahnung“, um den Pass vom Gegner abzufangen. Auf jeden Fall muss Ratsche sich daran gewöhnen, mächtig Konkurrenz beim Team-internen Duell „bester Techniker“ bekommen zu haben. Dabei war kaum zu bemerken, dass Ryo erst kurz in der Mannschaft ist. Das gilt eigentlich für die ganze Mannschaft: Das wirkte alles schon sehr gut eingespielt. Sowohl flache als auch hohe Pässe aus dem Mittelfeld kamen wirklich präzise beim Empfänger an. Missverständnisse waren eher selten.

Die Abwehr überzeugte mich nicht immer, ohne ganz große Lücken präsentiert zu haben. Hin und wieder war der Gegner dann doch durch. Dafür waren alle Abwehrsituationen geordnet. Nie musste der Ball einfach mal weg geballert werden. Dass die einzigen zwei Gegentore in der zweiten Halbzeit nach einem Standard und einen krassen Blackout von Robin Himmelmann (Übrigens: Schwamm drüber. War ja nur ein Freundschaftsspiel 🙂 ) fielen bestätigt den Eindruck. Wir haben übrigens vier teilweise sehr sehenswerte Tore geschossen. Das war höchst variabel, für den Gegner schwer auszurechnen und als Fan eine echte Freude zu betrachten.

Zur Halbzeit gabs übrigens – sicher zur Freude von Ryo – den alten Hamburger Klassiker „Türlich, Türlich, sicher Digga“.

[vision_pullquote style=“2″ align=““] Auf der Nord schlägt jetzt das Doppelherz von St. Pauli[/vision_pullquote]In der zweiten Hälfte tauschte der Gegner komplett 11 Spieler aus, während wir nur das Trikot wechselten, die Spieler aber lange die gleichen blieben. Ewald tauschte erst zu Ende noch ein paar ganz frische ein.  Kurz vor Schluss, als sowohl Spieler und auch Publikum fast schon am wegdösen waren, gab es als Wachmacher noch einen Elfmeter für St. Pauli (verschossen) und eine rote Karte für einen Gegenspieler. Ob nun wegen meckerns, blöder Frisur oder feuchter Aussprache kann ich nicht ganz beurteilen.

War sonst noch was? Ach ja. Es gibt tatsächlich Spieler, die einen gefühlten Kopf kürzer sind als Ratsche. Die Nord sieht schon fertig aus und dort schlägt jetzt das Doppelherz von St. Pauli.  Und Dom-Schausteller sind sehr entspannt, wenn tausende Fans durch ihren „Garten“ latschen, wenn sie sich gerade auf dem Gartenstuhl entspannen wollen.

Wäre ich HSV-Fan würde ich jetzt von der Champions League faseln… 😀 Aber mal ernsthaft: Das hat mir sehr gut gefallen. Klar: Der Gegner war nicht gerade frisch nach dem Braunschweig-Spiel, aber das Spiel wurde auf jeden Fall ernst genommen. Um das festzustellen hätte ein Blick auf den gegnerischen Trainer gereicht. Der spielte einige Male Rumpelstilzchen am Spielfeldrand. Klar. Auch letztes Jahr haben wir in der Vorbereitung größtenteils gewonnen. Aber da war der Gegner auch kein spanischer Erstligist, sondern eher unterklassig, wie Quickborn oder Werder Bremen… 🙂

Ich freu mich auf jeden Fall auf die Saison. Und Rayo Vallecano darf (samt Fans) gerne wieder kommen.


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