Nach einem eher weniger entspannten Wochenende mit viel Zeit im Stau – gesperrte Elbbrücken und der ganz normale A7-Wahnsinn sei Dank – schaffte ich es heute gerade noch so später als üblich erst eine halbe Stunde vor Anpfiff zum Stadion. Der Einlass ging aber flott von Statten und bei traumhaften Wetter machte ich mich auf den Weg zu meinem Stammplatz. Schon vor der Partie gab es ein ziemlich schlechtes Stellungsspiel vom Stadionsprecher, der während seiner Anmoderation von den rotierenden Rasensprengern erwischt wurde.
Die Auswärtsfans zeigten sich dann gleich zu Beginn von ihrer ganz unsportlichen Seite. Während wir unsere Hymne sangen, trommelten sie dazwischen und brannten Pyro ab. Auch in „Hells Bells“ wurde reingetrommelt. Kann mich nicht erinnern, dass das schon mal gewesen ist. Meines Wissens hatten bisher selbst die Rostocker so viel Anstand das zu lassen. Wir zeigen bei jedem Spiel Respekt vor dem Gegner indem wir ihre Hymne spielen, der Gegner erwidert den Respekt, und wartet bis zum Anpfiff ab. Die anderen zumindest. Ganz peinliche Nummer. Dass die Kreativität sich dann im Anschluss primär auf „Scheiß St. Pauli“ beschränkte war dann irgendwie passend. Wann merken die eigentlich, dass das bei uns so nicht funktioniert, weil wir einfach mitsingen? Ganz ehrlich: So schnell hat sich bei mir persönlich noch nie ein Auswärtsteam unbeliebt gemacht. Und das, wo eigentlich auch Auswärtsfans auf unserer Tribüne recht entspannt mitgefeiert haben. (Spoiler: Die haben keinen auf die Mappe bekommen)
Seis drum. Die sind ja schon genug gestraft mit der Plörre, die die trinken müssen. Auf dem Platz wurde deutlich Angenehmeres geboten: Auf beiden Seiten war von vornherein sehr viel Offensivfußball geboten. Nach 13 Minuten wurden die Kölner dann zu einem Mörderbock gezwungen: Der Rückpass landete bei unserem fliegenden Holländer (5 Euro in die schlechte Wortspielkasse), der den Ball schön ins Eck drosch. Gute Laune, Tooooooooor.
Gute zehn Minuten später wurde Mats ziemlich böse im gegnerischen Strafraum erwischt und musste eine Zeitlang behandelt werden. Doch auch in Unterzahl sah das weiter gut aus. Buchti flankte schön in die Mitte, Jerry köpfte das Ding dann rein. Gefühlt sah das zwar eher nach Abseits aus, aber wer will denn meckern 🙂
Dann wurde es bekloppt. Während der Ball bei Himmelmann für den Abstoß lag, ging Mats nach der Behandlung wieder aufs Feld. Der Schiri hatte ihn aber nicht reingewunken und vergab dafür die gelbe Karte. Gerade in Anbetracht unseres letzten Auswärtsspiels, wo der Gegner wieder aufs Spiel in den Rücken unserer Abwehr durfte schon etwas seltsam. Déjà vus habe ich irgendwie ja öfters am Millerntor. Nach meinem Geschmack hätte es übrigens deutlich mehr Karten geben dürfen in der Partie. Der Schiri ließ da viel zu viel durchgehen und hatte die Partie insgesamt nicht wirklich im Griff.
Wie aus dem Nichts kam dann doch leider der Anschlusstreffer für die Kölner. Da es am anderen Ende des Platzes war, konnte ich das nicht genau einsehen, aber so richtig gut verteidigt war das irgendwie nicht. Macht nix: Mund abwischen weiter machen. Unsere Jungs spielten auch da weiter offensiv schöne Kombinationen, mehrmals musste der gegnerische Keeper klären.
Doch das Tor schossen die Kölner. Abstauber von Terodde. Der schießt ja in jeder Partie sein Tor. Ärgerlich so kurz vor dem Pausenpfiff. Ungeachtet dessen war die Stimmung topp in der Pause. Eine so unterhaltsame Partie hatten wir auch wirklich lange nicht mehr gesehen. Da war alles noch drin und versprach unterhaltsam zu werden.
Auf Nord- und Südtribüne wurden Chemnitz im Speziellen und der tumbe Mob im allgemeinen mit Bannern bedacht, verbunden mit der Aufforderung sich an diversen Gegendemonstrationen zu beteiligen. Auch #wirsindmehr – Shirts waren einige zu sehen.
In der zweiten Halbzeit ging erst ohne Mats weiter. Für ihn kam Richard Neudecker. An der Leistung kann es nicht gelegen haben: Vermutlich brummte der Schädel noch. Obwohl wir weiter guten offensiven Fußball zeigten waren es dann doch die Kölner, die als nächstes Punkteten. Ein in meinen Augen ziemlich fragwürdigen Elfmeter verwandelte Terodde zum 2:3. Nur wenige Minuten später fliegt uns unser eigener Elfmeter um die Ohren und die Kölner führen mit zwei Toren unterschied.
Spätestens hier war es eine große Moral, die unsere Boys in Brown da zeigten: Es ging weiter wie bisher. Genauso bissig, genauso offensiv, in der Abwehr allerdings auch genauso „meh“. In der 65sten stand dann Buchti in Super Position vor dem gegnerischen Tor, zog ab, wurde dann aber doch noch von einem gegnerischen Spieler geblockt. Mist! Doch während ich noch enttäuscht stöhne, senkt sich der Ball irgendwie hinter den Torwart und ins Netz. Den hatten wir alle drüber gesehen. Wie geil war das denn? Nur noch ein Tor unterschied!
Eins war hier klar: Das war nicht das Endergebis. Entweder gibt es noch den Ausgleich, oder die Kölner siegen mit zwei Toren unterschied. Unsere Angriffe wurden immer stärker; Die Anzahl der Paraden des gegnerischen Keepers habe ich am Ende gar nicht mehr gezählt. Die Anzahl der Ecken war gefühlt auch irgendwas in der Region 1000 zu 2 oder so. In der Schlussphase fiel dann auch dem Schiedsrichter auch ein, dass er Karten dabei hatte. Ausgerechnet Lasse Sobiech kassierte davon dann die erste.
Irgendwann gab es noch leichte Unruhe, weil dunkle Rauchschwaden zwischen Süd- und Gegentribüne aufkamen, die garantiert keine Pyro waren. Es gab aber auch schnell Entwarnung per Stadiondurchsache: Da hatte wohl eine Tapete gebrannt, das Feuer aber unter Kontrolle.
In der Nachspielzeit wurden wir dann noch einmal ausgekontert, nachdem alles nach vorne geschmissen wurde und auch Cenk Sahin bereits in der Partie war. Das wars dann natürlich und eine Bestätigung meine vorherigen Annahme.
Nach Abpfiff gab es einen völlig verdienten Applaus für unsere Spieler: Die hatten richtig stark gekämpft und tollen Offensivfußball gezeigt. In der Abwehr zeigte sich wieder mal, wie schade es ist, dass Lasse die falschen Farben trägt, aber bei mir überwiegt das Gefühl, dass wir mit etwas mehr Fortune beim nächsten Mal besser da stehen. Auf jeden Fall war es Welten von der wirklich schlechten letzten Auswärtsleistung entfernt.
Und ganz zum Schluss habe ich mich dann sogar ein wenig mit den Kölner versöhnt, von denen waren nämlich einige mit zur Seebrücke-Demo gekommen, die am Südplatz extra eine halbe Stunde auf den Abpfiff gewartet hatte um uns aufzunehmen. Wir machten dann einen schönen Bogen herum an der Feldstraße vorbei Richtung Zentrum. Wohl die größte Demo seit G20. Und damit dann endgültig ein absolut positiver Ausgang des Spieltages: Hamburg ist genau der richtige Ort, wenn man ein empathiefähiger Mensch ist. Das muss nur noch auf die Politik abfärben.