Was zum Teufel ist los mit unserer Polizei?


Ich möchte vorab schicken, dass ich mich nicht zur 1312 – Fraktion zähle. Ich habe auch positive Erfahrungen mit Polizisten gemacht, so lange ich sie einzeln und nicht im Pulk angetroffen habe. Das mag natürlich auch daran liegen, dass ich die „richtige“ Hautfarbe habe und auch sonst optisch nicht heraussteche.

Dass ich überhaupt darüber nachdenke, dass meine Nationalität und Hautfarbe der Grund sind, dass ich auch positive Erfahrungen gemacht habe ist schon ein Teil des Problems. Denn in den letzten Jahren ist mir die Polizei als Apparat in Berichten vor allem durch folgendes aufgefallen:

  • Lügen, wenn es um die eigenen Leute geht
  • Überzogene Gewaltanwendungen bei Demonstrationen
  • Vertuschen eigener Straftaten
  • Sich selbst als „über dem Gesetz“ anzusehen
  • Keine Konsequenzen, wenn man erwischt wird

Für mich als (Wahl-)Hamburger war natürlich vor allem der G20 ein ziemlich einschneidendes Ereignis. Die Polizei ist hier in erster Linie durch unfassbare Brutalität aufgefallen. Sie selbst sah bei sich natürlich keine Verfehlungen. Und ihre Argumentation „Die waren vermummt“ wirkte schon immer etwas hanebüchen. Vor allem weil Medienberichten zu Folge viele Demonstranten tatsächlich der Aufforderung gefolgt sind, sich zu demaskieren. Nur eine kleine Gruppe eben nicht. Eine kleine Gruppe, die – wie sich diese Woche herausgestellt hat – primär Polizisten aus Sachsen waren, die sich in die Demonstration eingeschlichen haben, um sicher zu stellen, dass die Situation auch garantiert eskaliert.

Das eigentlich Schlimme daran ist, dass es einen nicht mehr unfassbar zurück lässt, sondern man nicht mehr wirklich überrascht ist. Während nach dem G20 massenhafte Öffentlichkeitsfahndungen gestartet wurden und Menschen monatelang in U-Haft genommen wurden, denen nicht wirklich etwas vorgeworfen wurden. Abgesehen vielleicht von der falschen Gesinnung. Ja, wo sind wir denn hier? Gesinnungspolizei? Gehts noch?

Das gab dann natürlich auch den großen Aufschrei. Brennpunkte in der ARD, betroffene Opfer bei Maybritt Illner… Ach nee. Stimmt ja gar nicht. Beides nicht passiert. Interessiert kein Schwein. Ebenso wenig zu der Tatsache, dass Menschen in Polizeigewahrsam zu Tode kommen. Menschen, die sich gefesselt, ohne Feuerzeug selbst angezündet haben sollen. Es gibt beispielsweise eine sehr große Zahl von Experten, die nicht glauben, dass Oury Jalloh so zu Tode gekommen ist, wie behauptet wurde. Man könnte jetzt einwerfen: „Im Zweifel für den Angeklagten“, auch wenn metaphorisch gesprochen der Täter mit dem rauchenden Colt am Tatort erwischt wurde. Aber das ist ja Teil des Problems: Die Täter werden sich nie ernsthaft zu verantworten haben. Vertuschung und Corpsgeist verhindern dies.

Derweil den Vorsitzenden einer Polizeigesellschaft, der Jahrelang betrügerisch Geld für nicht erbrachte Leistungen erhalten hat. Das Resultat? Keines, außer dass er zeitweise weniger in Talkshows auftritt, um sein eigenes verqueres undemokratisches Weltbild mitzuteilen. Zu seinen eigenen Straftaten muss er sich dort übrigens nicht verantworten.

Um dieses Problem anzugehen gäbe es Mittel und Wege: Eine eindeutige Identifizierung von Polizisten beispielsweise. Oder eine unabhängige Institution, die Beschwerden gegen Verbrecher im Amt nachgeht. Nicht, weil alle Polizisten Verbrecher sind, sondern um die sauberen vor den eigenen schwarzen Schafen zu schützen. Stattdessen wird das Gegenteil gemacht: Gewalt gegen Polizisten wird deutlich härter bestraft. Da dieser Vorwurf in der Regel dann automatisch entsteht, wenn man sich gegen Polizeigewalt zur Wehr setzen möchte, kann das Signal nur gemeint sein: Wehrt Euch nicht gegen Polizeigewalt, sonst könnt Ihr im Knast landen.

Denn vor Gericht sind eben nicht alle Menschen gleich. Es gibt reichlich Beispiele, dass Polizisten mehr geglaubt wird als normalen Bürgern. Und viele Fälle, die ohne Beweisvideos komplett anders herum ausgegangen wären. Dass die Strafe Aufgrund „des Geständnisses“ reduziert wurde wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Ein Geständnis, dass erst nach dem Beweisvideo zu Stande kam: Welcher normale Bürger käme damit durch?

Auch bezeichnend, dass die Anwälte diese Videos erst möglichst spät aus den Ärmeln schütteln, um ihre Mandanten vor Angriffen durch die Polizei zu schützen.

Und das ist es, was bei mir hängen bleibt: Die Polizei lügt, sie vertuscht eigene Straftaten und schafft es ihre Opfer dann unter Umständen dann auch noch einzusperren. Wir bräuchten also dringendst ein Korrektiv, dass dafür sorgt, dass die Staatsgewalt sich wieder demokratischen Gepflogenheiten unterwirft. Stattdessen gibt es das PAG. Zunächst nur in Bayern, später dann Bundesweit. Dieser Text würde vermutlich bereits dafür reichen mich einzusperren. Praktischer weise werden jetzt Polizeipanzer auch mit Maschinengewehren ausgerüstet. So sieht es wohl aus, wenn Rambo eine Demokratie planen würde.

Wo sind wir eigentlich hingekommen? Wir sind – per Definition – eine Demokratie, verdammt noch mal! Sollten Politiker, die sich öffentlich dazu bekennen nicht endlich mal versuchen, unsere demokratischen Werte zu schützen anstatt den Polizeistaat zu forcieren? Und sollte nicht auch die EU deutliche Signale senden?

Die Hamburger Polizei ist übrigens kürzlich von Amnesty International öffentlich gerügt worden, weil sie Rechtswidrig Hausfriedensbruch begangen hat, weil ihnen eine Meinungsäußerung nicht gefallen hat. Hätte mir vor einem Jahrzehnt nicht vorstellen können, dass das bei uns passiert, dass es gerechtfertigt ist und dass es in den Nachrichten kaum Erwähnung findet.

Unsere Demokratie ist kaputt. Sie muss endlich wieder in Ordnung gebracht werden.

Und es ist der Auftrag an die Medien, endlich mal ihren verfickten Job zu machen: Wenn die Polizei Teil der Nachricht ist, dann sollte man einem Journalisten nicht erklären müssen, dass die Pressemitteilung der Polizei nicht die einzige Quelle sein sollte. Es gibt einige wenige rühmliche Ausnahmen, aber wenn man mangelnde Pressefreiheit (zu Recht) in Ländern wie der Türkei oder Russland bemängelt, warum legt man dann so wenig Wert darauf, selbst die Pressefreiheit zu nutzen und kritisch zu berichten?

Ich habe Eingangs erwähnt, dass ich mich eher als Mensch aus der Mittelschicht sehe. Manche würden sagen: Spießer. Ich will nicht die Gesellschaft umstürzen, sondern ich will eine Gesellschaft, in der demokratische Werte gelebt werden. Und dass ich – ausgerüstet mit einem blütenweißen Führungszeugnis – die Polizei mittlerweile als Gruppe nicht mehr als Freund, sondern als Feind ansehe ist ein gewaltiges Problem. Eigentlich möchte ich das nicht. Und es wird derzeit vieles dafür getan, dass es eher schlimmer wird.


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