
Ok. Halten wir mal fest: Gewinnt der Verein aus Mordor, gewinnen wir auch. Verliert er, verlieren wir auch. Das 8:0 in München war also nicht gerade ein gutes Omen. Und das ausgerechnet gegen den Kellerkonkurrenten Karlsruhe. Es ist also notwendig eine Ausnahme für die Regel zu finden. Ganz klar! Montagsspiele zählen nicht. Das ist ja schon die nächste Woche! Ha! Gerade noch mal schicksalstechnisch die Kurve gekriegt.
Der Wetterbericht versprach Schmuddelwetter, also ging es ausnahmsweise mal mit dem Auto zum Montagsspiel. Außerdem wird mein heißgeliebtes Vehikel in Kürze verkauft. Nach über 10 Jahren will man dann doch noch möglichst viel den Gefährten nutzen. Dann kann die Midlife-Crisis voll durchschlagen, da holt man sich meist was jüngeres.
Die Aufstellung bot einige Überraschungen. Einige Spieler, die man sonst eher auf dem Platz erwartet hätte waren auf der Bank. Allen voran Lasse Sobiech. Ebenfalls auf der Bank: Schnecke. Ich hoffte, dass er seine Chance bekommen würde. Der Junge verkörpert St. Pauli – Teil der alten Garde.
Das „Herz von St. Pauli“ klang da natürlich schon deutlich besser aus dem zum Anpfiff mittlerweile fast vollen Stadion. Gut 29.000 sollten es schließlich offiziell sein.
Hells Bells klang zum Anpfiff noch knackiger und kräftiger als sonst. Hat das Millerntor etwa eine neue Soundanlage? Die Stimmung war auf jeden Fall prächtig. Und das lag nicht nur an den süßlichen Gerüchen, die heute stärker als sonst nach oben getragen wurden. Apropos Gras: Auf dem Platz rutschten einige Spieler anfangs aus. So ganz perfekt war der neue Rasen also wohl noch nicht.
Es war von Anfang an ein spannendes Spiel. Bereits in der dritten Minute hatte Daehli nach Vorlage von Aziz eine gute Chance. Ging doch ganz anständig los. Nur kurz darauf durfte Aziz sich im gegnerischen Strafraum versuchen, verdiente sich aber nur eine Ecke.
Aber auch die Karlsruher waren vor unserem Tor zu finden. Unsere Abwehr war zwar auf dem Posten, aber der KSC bekam doch so einige Ecken und Einwürfe vor unserem Tor, die meine Herzfrequenz eher im oberen Bereich ansiedelten. Vor allem, weil der lange Lasse in der Abwehr fehlte.
Ja! Die Soundanlage ist neu. Auch Song Two klang heute unglaublich gut. Allerdings: Selbst aus einem Megaphon würde es gut klingen.
Im Anschluss machte der KSC wütend Druck und kam vor allem zu gefährlichen Ecken. Trotzdem ging es auf dem Platz ging es überraschend fair zu. Es gab zwar Fouls und daraus resultierende Freistöße, aber richtig böse Dinger waren nicht dabei. Und das obwohl der Schiri die Regeln ziemlich britisch auslegte.
Die jetzt offensivere Ausrichtung der Karlsruher erlaubte einige Gegenstöße die sehr ansehnlich waren. Das war vor allem spielerisch sehr schön anzusehen. Manchmal doch ein Trick zu viel, aber schick und ein klar zu erkennendes Selbstvertrauen. Nicht ganz unwichtig da unten im Keller.
So überwog in der Halbzeitpause noch das „Wehe in Minute 96 kriegen wir den Ausgleich“-Gefühl. Das war doch alles mal wieder viel zu eng. Am Ende der Halbzeit waren die Boys in Brown pünktlich auf dem Platz, während sich die Karlsruher wohl noch nicht aus der Kabine trauten, was dazu führte, dass die „Antifa Hooligans“ heute fast komplett gespielt (und besungen) wurden. Irgendwie muss man die Zeit ja überbrücken,
Auf dem Platz ging es direkt richtig flott los. Bereits in Minute eins der zweiten Halbzeit hielt der sehr gute gegnerische Keeper einen Kopfball der Kategorie „unhaltbar“ von Aziz. Mir schwante nix Gutes. In meinem Kopf hörte ich schon die klassische Kommentatorfloskel „Wer so fahrlässig mit seinen Chancen umgeht…“.
Der Pessimist in mir überlegte, wann wir zu letzt eine 3:0 -Führung abgegeben haben. Das war gegen Fürth, wenn ich mich richtig erinnere. „Aber Jahrhunderte her“ sage ich so zu mir selbst.
In Minute 57 machte Aziz dann sein zweites Tor. Klassisch ausgekontert von Cenk Sahin, Querpass, rein. Ab jetzt startete die Heiser-Phase: Dauergesänge, kaum Luft holen, Stimmbänder verschleißend. Macht nix. Reden muss ich im Job nicht können. Irgendwann gingen uns die Gesänge aus. Wir hatten alles mindestens einmal durch, dass irgendwann sogar der Jung mit dem Tüddelband herhalten musste.
Das fühlte sich so unfassbar gut an. Es wurde sogar mittlerweile halb-ernst überlegt, ob wir die acht Tore vom HSV auch hinbekommen würden. Gut 10 Minuten vor Schluss fiel dann mit dem Hattrick das letzte Tor der Partie. Obwohl eigentlich schreibt mal das ja „Party“. Durch das Stadion wallte „Nur noch drei! Nur noch drei!“, sollte aber doch nix mehr werden. Die Enttäuschung darüber hält sich aber bei mir in Grenzen.
Wir feierten dann bis zum Abpfiff. Eine Nachspielzeit wurde uns nicht gegönnt, aber man kann ja auch nach Abpfiff weiter feiern. Es war übrigens schon das zweite Mal diese Saison, dass der Schiedsrichter mit einem Pfiff am Millerntor seine eigene Rente einläutete. Und wieder wurde er mit Applaus freundlich verabschiedet. Gab ja auch nix zu meckern.
Den direkten Konkurrenten spielerisch gedemütigt. Ist nicht nett, aber natürlich kann auch das uns im Abstiegskampf helfen. Die KSC-Fans waren seit dem 2:0 nicht mehr zu hören, jetzt halfen sie mit, den Gegner zu schwächen. Sie bewarfen ihre eigenen Spieler mit Bier nach Abpfiff. Das forderte uns natürlich heraus. Erst wurden die gegnerischen Fans ausgepfiffen, dann skandierte das ganze Stadion „KSC!“. Ich kann mir vorstellen, dass der ein oder andere Spieler sich in diesem Moment wünschte für den FC St. Pauli zu spielen.
Zum Abschied empfahl unser Stadionsprecher übrigens den Gästefans noch zu Karneval als Kater zu gehen. Ein schlauer Tipp, wie ich finde. Ich bin auf jeden Fall gut gelaunt, mit dem Übersteiger unterm Arm nach Hause gefahren. Kann so weiter gehen! Forza!
Der Trainer war eigentlich schon immer am Millerntor. Meist auf der Gegengeraden knapp vor der Nordtribüne.
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