
Ok. Wieder mal Sonntag. Wieder mal kalt. Wieder mal Heimspiel. Wieder mal ein starker Gegner. Wieder auf die Mütze? Die vor dem Spiel veröffentlichte Aufstellung machte mir jetzt ehrlicherweise nicht ganz so viel Hoffnung. Das war nicht die Mannschaft des letzten Auswärtssieges, sondern größtenteils die Mannschaft der letzten Niederlagen. Konnte das gut gehen?
Wie üblich stand ich knapp eine Stunde vor Anpfiff vor der Gegengeraden. Normalerweise kann man zu der Zeit recht flott durchhuschen. Heute wars anders: Riesige Schlangen bis hin zum Parkplatz. Knapp 20 Minuten hat es gedauert, bis ich endlich abgeklopft und drin war. Offensichtlich war der Verein sehr bemüht keine ungebetenen Gäste in Biene Maja-Outfit rein zu lassen.
Die ersten Buhrufe gab es übrigens schon vor dem Anpfiff. Und zwar bei Bekanntgabe des Schiedsrichters: Deniz Aytekin. Der hatte in der Vergangenheit so einige Schwächen auf unserem Platz – fast immer zu unserem Nachteil – gezeigt. Na, das konnte ja was geben.
Immerhin: Zumindest theoretisch war es möglich auf den Relegationsplatz zu klettern. Wir mussten nur im Gegensatz zur Konkurrenz punkten und zwei Tore Tordifferenz aufholen. Nichts leichter als das 🙂 Ewald zeigte uns dann auch vor Anpfiff, was er erwartete. Drei Finger – Drei Punkte. Klar doch. An uns solls nicht scheitern.
Zu Beginn gab es eine sehr schicke Choreo von Nord und Süd. Fan-Rivalität setzt halt auch immer Kreativität bei uns frei.
Unsere Jungs waren von Anfang an sehr offensiv bei der Sache und störten den Gegner früh. So wurde der Gegner zu vielen Pässen zurück zum Torwart gezwungen. Und wenn doch, dann ging es meist über weite Flanken nach vorne.
Nach nicht einmal 5 Minuten lag Bernd Nehrig mit offensichtlich bösen Schmerzen am Boden. Kein Foul, sondern ein blödes Zusammenrasseln. Buchtmann lief sich lange warm, doch der alte Mann biss sich glücklicherweise noch einmal auf seine dritten Zähne und spielte nach einigen Minuten Behandlung dann doch weiter. Kaum wieder auf dem Platz, passte er den Ball schön zu Choi, der kurz vor dem gegnerischen 16er gefoult wurde. Der Freistoß brachte zunächst nicht viel ein, der Gegner zeigte aber deutliche Defizite dabei sich zu befreien.
Beide Mannschaften kämpften verbissen, aber größtenteils fair. Und selbst der zuvor so geschmähte Schiri machte seine Arbeit recht anständig. Nicht komplett fehlerfrei, und einmal stand er so blöd, dass er angeschossen wurde, aber im Großen und Ganzen in Ordnung.
Denn da war auch wieder unsere Schwäche. Ein ums andere Mal war es im gegnerischen 16er einfach der eine Pass zu viel, wo ein Schuss aufs Tor gute Chancen auf einen Treffer gehabt hätte.
In Minute 22 lag ein Gelber plötzlich in unserem Strafraum. Ich bin ehrlich: Ich steh auf der falschen Seite und kann nicht beurteilen, ob da was war oder nicht. So ganz genau will ichs vielleicht auch gar nicht wissen. Auf jeden Fall fischte Heerwagen den Ball bei der anschließenden Ecke noch gerade so raus.
Nur wenige Minuten später gab es dann eine dreifach-Chance mit viel Gestocher vor dem gegnerischen Tor, die von einem Schuss über das Tor von Nehrig frei vor leerem Tor „vollendet“ wurde.
Im Anschluss wurde kurz so etwas wie gezaubert, mit Hackentrick durch die Krater, bis Buballa dann einen ganz bösen Rückpass zum Gegner machte. Glücklicherweise wurde das nicht bestraft sondern noch gerade so von der Abwehr ausgebügelt. In Minute 37 konnte Aziz dann mal beweisen, dass er einen Dickkopf besitzt. Beim Zusammenprall mit dem Gegner ging er einfach weiter; Der Gegner musste hingegen verletzt ausgewechselt werden.
Kurz darauf spielte der bis dahin tadellose Flum einen Freistoß direkt in die Füße des Gegenspielers. Was auch immer ihn da geritten hatte, Bernd Nehrig bügelte das robust im Austausch gegen eine gelbe Karte wieder aus.
In der Halbzeit gab es dann gute Banner „Seht: Dort drüben, wo sie noch mit Pferden den Acker pflügen, laden sie herzlich zu ihren Märschen und Fackelzügen“ und weniger gute Banner „Schon Eure Großeltern haben für Dresden gebrannt – Gegen den doitschen Opfermythos“. Lieber einen guten Freund verlieren als eine gute Pointe, aber der Kalauer war mir dann doch etwas zu viel. Apropos: Vor mir auf der Gegengerade stand doch tatsächlich jemand mit einer „Feuer und Flamme für Hamburg“ – Olympia-Jacke. Entweder ein sehr optimistischer Mensch, oder er hat das Ding nur einfach sehr, sehr billig bekommen.
Die Reaktion des Gästeblocks war übrigens ähnlich geschmackvoll, aber intellektuell nicht ganz so herausfordernd: „Jeder unserer Freunde fickt einen Eurer Freunde“. Naja. Jeder halt so gut, wie er kann. Wohl viele dicht, wenige Denker.
Mit einem lauten „Antifa Hooligans“ ging es dann zurück zum Spiel. So ganz spurlos war das mit Nehrig wohl nicht abgegangen, denn zur Halbzeit stand er nicht mehr auf dem Platz. Stattdessen durfte Buchtmann ran. Und auch Thy durfte für Choi übernehmen.
Dudziak pendelte mittlerweile von Abwehr zu Angriff. Eben noch im gegnerischen Strafraum einen Pass gespielt, und kurz darauf beim gegnerischen Konter im eigenen Strafraum geklärt. Keine Ahnung, woher der die Ausdauer hat.
Kurz darauf machte ich mich auf, um den Durst zu stillen. Glücklicherweise war ich noch im Stadion, als der Gegner wieder zu einem Fehler gezwungen wurde und diesmal Sahin den Ball trocken ins Eck schob. Bier holen scheint Glück zu bringen. „That’s the way we like it!“
Überraschend früh wechselte Ewald Aziz aus und mit Gonther eine Defensive in Minute 63 ein. 30 Minuten Abwehrschlacht? Das konnte ja heikel werden.
Passierte aber gar nicht. Unsere Jungs pressten nicht mehr so stark vorne, blieben aber stabil und lauerten auf Konter. Die Dresdner brachten weiter nicht viel mehr als verzweifelte Bälle hoch nach vorne zu Stande, die aber meist relativ gefahrlos entsorgt wurden. Interessant mal ganz entspannt zuzuschauen, wie die gegnerische Mannschaft verzweifelt und nicht die eigene.
Und dann wars das: Endlich der erste Dreier seit gefühlten hundert Jahren zu Hause. Es war nicht immer schön diese Saison. Das hatten wir uns echt mal verdient. Und am Ende des Spieltages stehen wir tatsächlich auf einem Relegationsplatz. Es ist alles wieder drin. Wir haben noch einige Spiele gegen direkte Konkurrenten vor uns. Wenn wir die gewinnen sieht das doch schon alles viel freundlicher aus. Das wäre echt verrückt, wenn wir das noch mal schaffen sollten, aber ich steh auf verrückt.
Der Trainer war eigentlich schon immer am Millerntor. Meist auf der Gegengeraden knapp vor der Nordtribüne.
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